Die Zukunft des Spritzgießens

Die Zukunft des Spritzgießens…

Interview mit Dr. Stefan Engleder, CEO Engel Gruppe

Die rasante Entwicklung digitaler Technologien eröffnet dem Industrie-4.0-Zeitalter neue Horizonte. Welche Bedeutung hat die Digitalisierung für die Spritzgießmaschinenindustrie und inwiefern verändert sie die Spritzgießprozesse?

Die Digitalisierung verändert grundlegend die Art und Weise wie wir produzieren. Vergleichbar mit der Transformation in der Automobilindustrie. Fahrzeuge werden zukünftig autonom fahren, und Spritzgießmaschinen werden sich selbstständig regeln und optimieren.

Bereits heute ist die Digitalisierung wettbewerbsentscheidend. Industrielle Produktionsprozesse werden immer komplexer. Die Digitalisierung hilft, sie dennoch einfach und sicher steuern und kontrollieren zu können. Digitale Lösungen machen es möglich, das volle Potenzial der Spritzgießmaschinen auszuschöpfen und auf Basis der generierten Daten die Produktionsprozesse zu optimieren. Als Folge steigen die Qualität, die Produktivität und die Effizienz. Die Digitalisierung ist die Voraussetzung für mehr Nachhaltigkeit. Nur wenn wir die Möglichkeiten der Digitalisierung konsequent nutzen, können wir die vorgegebenen CO2-Reduktionsziele erreichen.

Insgesamt stehen wir beim Thema Digitalisierung noch am Anfang und der Reifegrad in Bezug auf die Digitalisierung der Spritzgießprozesse in den Unternehmen ist noch sehr heterogen.

Das ist richtig. Wenn wir das große Potenzial betrachten, das die Digitalisierung eröffnet, stehen wir noch immer am Anfang dieser Entwicklung und die Unterschiede bei der Digitalisierung der Produktionsprozesse in den Unternehmen sind groß. Dies liegt einerseits daran, dass ebenso wie bei der Investition in neue Maschinen und Anlagen auch Digitalisierungsprojekte exakt an die individuellen Anforderungen angepasst werden. Der konkrete Nutzen für den Anwender steht immer im Mittelpunkt. Andererseits sehen wir aber auch, dass sich manche Unternehmen mit der Entscheidung, in digitale Lösungen zu investieren, noch immer schwertun, obwohl der Nutzen auf der Hand liegt. Hier wünschen wir uns mehr Vertrauen in die neuen Lösungen. Was es braucht, ist eine Veränderung im Mindset. Wir werben aktiv darum, die Chance der Digitalisierung zu nutzen, um die Spritzgießproduktionen in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit, aber vor allem in Bezug auf die Nachhaltigkeit für die zukünftigen Anforderungen zu rüsten. Für alle Reifegrade steht ein breites Spektrum an praxisbewährten digitalen Lösungen zur Verfügung.

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Dr. Stefan Engleder, CEO Engel Gruppe.

Welche Türen öffnet nun die Digitalisierung? Und welche Chancen ergeben sich konkret für die Spritzgießverarbeiter?

Wie bereits erwähnt, hilft uns die Digitalisierung, das volle Potenzial der Spritzgießmaschine bzw. Systemlösung auszuschöpfen und damit effizienter zu produzieren und Ausschuss zu vermeiden.

Zum Beispiel können wir mit sim link, der Schnittstelle für den Datenaustausch zwischen Simulationsprogramm und Spritzgießmaschine, bereits bei der Produktentwicklung die Weichen in Richtung eines nachhaltigen Herstellungsprozesses und späteren Recyclings stellen. Das intelligente Assistenzsystem iQ weight control, um ein weiteres Beispiel zu nennen, macht es möglich, Recyclingmaterial auch in Prozessen einzusetzen, für die bislang Neuware unumgänglich war.

Darüber hinaus treibt auch der Mangel an qualifiziertem Personal unsere Kunden an, in digitale Lösungen zu investieren. Es geht darum, die Produktionsmitarbeiter zu unterstützen und eine durchgehend hohe Produktqualität sicherzustellen, auch wenn nicht in jeder Schicht Fachpersonal anwesend ist.

Mit der zunehmenden Digitalisierung der Spritzgießprozesse wächst die Menge an Daten an. Diese Daten enthalten viele Informationen, die oft aber nicht offen auf der Hand liegen. Wie können die Daten für die Prozessoptimierung nutzbar gemacht werden?

Das ist in der Tat eine der großen Herausforderungen, aus der zunehmenden Datenmenge Informationen abzuleiten, die sowohl die Prozess- und Produktionsoptimierung als auch die Fehlerbehebung unterstützen. Data Scientists werden genau hierfür ausgebildet. Allerdings beschäftigen nur die wenigsten Verarbeiter eigene Datenexperten. Mit der Erweiterung unseres Prozessoptimierungsservices perfomance.boost um das neue Paket „analytics“ bietet ENGEL diese Kompetenz deshalb jetzt als Dienstleistung an. Wir haben dafür personelle Ressourcen aufgebaut. Unsere Data Scientists besitzen neben einer fundierten Data-Analytics-Ausbildung jahrelange Spritzgießerfahrung. Sie verstehen die Spitzgießmaschine und die Verarbeitungstechnologien, und genau das ist der große Vorteil von perfomance.boost analytics gegenüber anderen Dienstleistungsangeboten im Markt.

Jeweils bezogen auf einen konkreten Anwendungsfall analysieren die Data Scientists die vorliegenden Daten systematisch, bereiten die Ergebnisse visuell auf und erarbeiten konkrete Handlungsempfehlungen. Zum Beispiel, um die Produktionseffizienz zu steigern oder die Ausschussquote zu reduzieren. Als Rohdaten dienen je nach Anwendungsfall und Kundenanforderung Produktions- und Prozessdaten sowie Daten aus der Qualitätssicherung, die über einen längeren Zeitraum erhoben wurden. Die Analyse gibt zum Beispiel Aufschluss über Ausschussursachen, zeigt schleichende Qualitätsveränderungen auf und ermöglicht langfristige Trendaussagen.

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