Chemisches Recycling auf dem Vormarsch
Dass das chemische Recycling zunehmend wichtiger wird, spiegelte sich diesen Januar auch in der Gründung eines neuen Verbands, Chemical Recycling Europe (ChemRecEurope), wider. Dieser soll neue, innovative Lösungen fördern und umsetzen. ''Die Entwicklung von Technologien für das chemische Recycling, die eine Lösung für schwer recycelbare Kunststoffabfälle bieten, schreitet schneller voran als die Gesetzgebung und Politik darum herum'', so ChemRecEurope.
Im Dezember unterzeichnete SABIC, ein großer Materiallieferant, mit Plastic Energy, einem im Vereinigten Königreich ansässigen Vorreiter für die chemische Verwertung von Kunststoffen, eine Absichtserklärung über die Rohstoffversorgung für die petrochemischen Prozesse bei SABIC in Europa. Die beiden Unternehmen beabsichtigen, eine kommerzielle Anlage in den Niederlanden zu errichten, in der durch das Wiederverwerten und Aufbereiten von minderwertigen Mischkunststoffabfällen, die sonst verbrannt oder deponiert werden würden, ein von Plastic Energy patentierter Rohstoff namens Tacoil hergestellt wird. Die Anlage wird ihren kommerziellen Betrieb voraussichtlich im Jahr 2021 aufnehmen.
Eine weitere Größe in der Polymerindustrie, die sich die Förderung des chemischen Recyclings zum Ziel gesetzt hat, ist BASF. ''Mit dem neuen ChemCycling-Projekt von BASF wollen wir einen wesentlichen Beitrag zur Wiederverwendung von Kunststoffabfällen als Rohstoff in der Produktion leisten'', erklärt ein Unternehmensvertreter. ''In Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Partnern konnten wir die ersten Pilotprodukte basierend auf chemisch recycelten Kunststoffabfällen entwickeln und herstellen.'' BASF beteiligt sich außerdem am PolyStyreneLoop-Projekt. In der aktuellen Projektphase wird eine Pilotanlage errichtet, in der eine lösungsmittelbasierte Recycling-Technologie zum Einsatz kommt. Mit ihr sollen Dämmstoffe aus expandiertem Polystyrol (EPS) wiederverwertet werden können. Anders als bestehende werkstoffliche Recyclingverfahren könnte sich die Technologie auch für die Wiederverwertung von Stoffen eignen, die früher verwendete und heute verbotene Flammschutzmittel beinhalten.
Anstieg der Biokunststoffe
Welche Rolle spielen Biokunststoffe zukünftig in der Kreislaufwirtschaft? Europa zumindest erweist sich als wichtiges Produktionszentrum für diese Materialien. Aktuelle Marktdaten, die von European Bioplastics (EUBP) (in Zusammenarbeit mit dem nova-Institut) erhoben wurden, zeigen, dass rund 20 % der weltweiten Produktionskapazität von Biokunststoffen – die 2018 bei 2,11 Mio. Tonnen lag – in Europa anzusiedeln sind. Dank kürzlicher politischer Initiativen in mehreren EU-Mitgliedstaaten, insbesondere Italien und Frankreich, soll diese Zahl bis 2023 auf 27 % steigen.
Es überrascht nicht, dass EUBP nach eigenen Angaben voll und ganz hinter dem Wandel Europas von einer Linearwirtschaft hin zu einer ''lückenlosen'' biobasierten Kreislaufwirtschaft steht. ''Doch in bestimmten Verordnungen, wie der SUP-Richtlinie zu Einwegkunststoff, wird das Potenzial von kompostierbaren und als biologisch abbaubar zertifizierten Kunststoffen nicht für die Fälle berücksichtigt, in denen EU-Vorschriften für Hygiene und den Lebensmittelkontakt erfüllt werden müssen, aber keine Mehrweglösungen genutzt werden können'', so EUBP. ''Schließlich ist die Förderung des organischen Recyclings ein Stützpfeiler der Kreislaufwirtschaft in der EU.''
Auswirkungen des Brexit
Wird das Vereinigte Königreich jemals aus der EU austreten? Zum Entstehungszeitpunkt dieses Artikels lautet die Antwort ''Ja'', doch das Wann und Wie ist noch unklar. Ursprünglich hätte das Vereinigte Königreich bereits dieses Jahr, am 29. März 2019, austreten sollen, doch bisher konnte sich das britische Parlament nur darauf festlegen, welche Art von ''Scheidungspapieren'' es nicht mit der EU unterzeichnen will. Diese Unsicherheit treibt viele in den Wahnsinn. Als neues Austrittsdatum wurde nun der 31. Oktober vereinbart.
Niemand weiß, wie sich der Brexit auf die Kunststoffindustrie auswirken wird. Doch viele Unternehmen mit Produktionsstandorten im Vereinigten Königreich und/oder Handelsbeziehungen dorthin wappnen sich fürs Schlimmste und hoffen aufs Beste. Sie beschäftigt eine möglicherweise erforderliche umfassendere Lagerhaltung, das Risiko von Verzögerungen an den Grenzen sowie neue Zollsysteme und Codenummern. Zu bedenken ist dabei auch, dass neue Rechtsvorschriften aus dem Vereinigen Königreich eingehalten werden müssen, beispielsweise ein britisches Pendant zur EU-Verordnung REACH.
Trotz alledem zeigte sich Philip Law, Generaldirektor des Industrieverbands British Plastics Federation, im April ''sehr optimistisch'', was die langfristigen Aussichten für die Kunststoffindustrie im Vereinigten Königreich anbelangt. ''In der Geschäftswelt gibt es stets Widrigkeiten in irgendeiner Form, doch unsere maßgebliche Fähigkeit ist es, Wege zu suchen, bei der Problemlösung Chancen zu erkennen'', so Law. Der nie enden wollende Brexit füllte für viele vor den Fernsehbildschirmen die Leere, die Game of Thrones hinterlassen hatte – auch hier verschwanden reihenweise wichtige Persönlichkeiten von der Bildfläche. Laut Law drohe sich der Brexit in ein ''Martyrium für das ganze Land'' zu verwandeln. ''Unternehmen im Vereinigten Königreich sind vernünftigerweise vorsichtiger geworden und sehen von mutigen Schritten ab, doch es gibt viele andere Faktoren, die in der Kunststoffindustrie weltweit für Unsicherheit sorgen: Die Handelsspannungen zwischen China und den USA, die Konjunkturflaute in China und Deutschland und die Strapazen der Luft- und Raumfahrtindustrie'', so Law. Doch er gibt dem Ganzen eine positive Wendung: ''Was das Vereinigte Königreich betrifft, müssen wir uns auf die Grundlagen konzentrieren, die die Ergebnisse der Kunststoffindustrie auch in den nächsten Jahrzehnten weiterhin in neue Höhen befördern werden. Wir verfügen über eine solide Plattform für die Rohstofferzeugung und -versorgung (...) und eine dynamische Recyclingindustrie. Es sind alle Elemente einer Kreislaufwirtschaft vorhanden.''
''Wenn es zu einem Brexit-Deal kommt, sollten wir mit den Auswirkungen des Brexits auf die Kunststoffmaschinenbranche in Europa umgehen können'', meint Thorsten Kühmann, Geschäftsführer des deutschen Fachverbands Kunststoff- und Gummimaschinen VDMA. ''Bisher gehen ca. 3 % aller Exporte von Kunststoff- und Gummimaschinen, die in Europa produziert werden, ins Vereinigte Königreich. Seit dem Referendum [im Juni 2016] sind die Exporte ins Vereinigte Königreich durchweg stabil geblieben. [Selbst] wenn die Exporte für einige Zeit auf die Hälfte zurückgehen sollten, sollten europäische Kunststoff- und Gummimaschinenhersteller damit umgehen können.''
Laut Kühmann erfreuten sich europäische Hersteller von Kunststoff- und Gummimaschinen in den zurückliegenden 10 Jahren einer sehr guten Entwicklung mit einer nahezu Verdoppelung des Branchenumsatzes. Der Wendepunkt ist jetzt erreicht und auf das Jahr 2019 gerechnet prognostiziert der VDMA ein Umsatzminus von 10 Prozent für deutscher Hersteller von Kunststoff- und Gummimaschinen. ''Grund hierfür ist zum einen der zyklische Abschwung, der nach zehn Jahren des Wachstums überfällig war. Dieser Abschwung wird jedoch verstärkt durch die hohe Verunsicherung, die derzeit im Automobilbereich herrscht. Bei den Investitionen besteht hier gewissermaßen Stillstand. Aber auch im Verpackungssektor wird der Einsatz von Kunststoffen immer stärker hinterfragt. Hier schlägt das schlechte Image, das dem Kunststoff heute anhaftet, voll durch'', erläutert Kühmann und ergänzt: ''Zum anderen sorgt der Handelskonflikt zwischen den USA und China für weltweite Verschiebungen in den Lieferketten und verunsichert die Märkte spürbar. In Europa bestehen zudem Unwägbarkeiten auf Grund der weiterhin unklaren Modalitäten über den EU-Austritt Großbritanniens sowie der immensen Staatsverschuldung in Italien.''
Seitwärtstrend des Marktes aus Sicht der Maschinenhersteller
Engel, einer der großen europäischen Maschinenproduzenten, der sich auf Spritzgießmaschinen spezialisiert hat, gibt ab, seine Umsätze seien im Geschäftsjahr 2018/19 um rund 6 % gestiegen und bezeichnet dieses Wachstum als moderat. Doch nun befindet sich der Markt im Seitwärtstrend. ''In Europa bewegt sich vor allem die DACH-Region weiterhin auf einem guten Niveau. Doch wir bemerken seit dem letzten Quartal 2018 einen deutlichen Produktionsrückgang in der deutschen Automobilindustrie. Noch ist unklar, wie sich der Brexit, Strafzölle und Sanktionen sowie die Debatte über Einschränkungen für Dieselfahrzeuge und Dieselfahrverbote auswirken.'' Das Unternehmen erklärt, dass zunehmend niedrigere Grenzwerte für Fahrzeugemissionen den Einsatz von Kunststoffen begünstigen, da Kunststoffe das ideale Material für die Gewichtsreduktion sind. Die EU geht seit Langem rigoros gegen Stickstoffoxid-, Kohlenwasserstoff-, Partikel- und Kohlenmonoxidemissionen vor und regulierte kürzlich auch CO2-Emissionen. Zwischen 2012 und 2015 wurde für Pkw dabei schrittweise ein Ziel von 130 g/km eingeführt. Ab 2021 gilt das neue Ziel von 95 g/km.
Die Kreislaufwirtschaft erweist sich als starker Motor für Innovationen auf Seiten der Maschinenhersteller und Kunststoffunternehmen. ''Da die Qualität von recyceltem Material in der Regel unbeständiger ist als die von Neumaterial, kam Recyclingmaterial für viele Anwendungen bisher nicht in Frage'', so Engel. ''Intelligente Assistenzsysteme – eine zentrale Funktion der Industrie 4.0 – sind im Begriff, das zu ändern.'' Auf der K 2019 stellt Engel erstmals seine intelligente Softwarelösung ''iQ weight control'' in der Praxis vor. Zum Einsatz kommt dabei Recyclingmaterial. Die Software überwacht das Spritzgießverfahren Schuss für Schuss und gleicht Schwankungen automatisch und in Echtzeit aus.
Auch Hans Ulrich Golz, President des Segments Spritzgießtechnik der KraussMaffei Gruppe, eine weitere namhafte Branchengröße, nimmt den Seitwärtstrend der europäischen Kunststoffindustrie wahr. ''Besonders die Automobilindustrie ist aktuell kein Wachstumsmotor'', meint Golz. ''Beim Thema E-Mobilität ist in Europa der Funke bisher noch nicht wie erwartet übergesprungen. Gleichzeitig investieren die Anbieter aber auch nicht in herkömmliche Antriebe. Der Markt erfordert zunehmend Maschinen und Technologien, die in hohem Maße standardisiert und zugleich flexibel einsetzbar sind. So können in sich schnell verändernden Märkten Investitionen über den gesamten Lebenszyklus der Maschine hinweg gewinnbringend eingesetzt werden.'' Wie Golz ankündigt, präsentiert KraussMaffei auf der K 2019 zukunftsorientierte Lösungen, die genau diese und weitere wichtige aktuelle Entwicklungen aufgreifen. Ohne Frage haben zahlreiche weitere Aussteller genau dasselbe vor.
Quelle: K