Svenja: Was ist am Single-Use Ban so schlecht, sind denn viele Produkte nicht wirklich sinnlos oder können besser durch andere Materialien substituiert werden?
Michael: Was ist an einem Kaffee-Kunststoffrührer schlechter als an einem Holzrührer, wenn er richtig gespült oder entsorgt wird? Nichts! Im Gegenteil. Der Kunststoffrührer dürfte aufgrund seiner effizienten Produktion einen niedrigeren Carbon Footprint aufweisen und ist stofflich recycelbar. So kann aus dem Kunststoffrührer wieder ein Kunststoffrührer werden. Beim Holzrührer wird das nicht gelingen - es sei denn, Kunststoff hilft, die Holzpartikel zu binden. Dies ist nur ein Beispiel von vielen.
Will man nicht auf ökologisch schlechtere Materialien ausweichen, kommt der Single-Use Ban von Kunststoffen praktisch Produktverboten gleich. Möchten wir eine Öko-Diktatur? Ein Wettrennen um Verbote? Der eine hält Strohhalme, der andere Ballonhalter oder Kaffeekapseln für unnötig - am Ende werden wir alle viele Produkte vermissen. Wäre es nicht sinnvoller, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu respektieren und die jeweils besten Materialen und End-of-Life-Optionen zu finden, die die geringsten Umweltauswirkungen aufweisen? In vielen Fällen sind das schon heute Kunststoffe - ob PET-Flasche, Einkaufstüte oder Verpackungen, die Lebensmittel schützen - und umso mehr zukünftige Kunststoffe auf Basis von erneuerbarem Kohlenstoff, aus mechanischem und chemischem Recycling, aus Biomasse und direkter CO2-Nutzung.
Der Single-Use Ban schürt die Kunststoff-Hysterie, aber es sind nicht Kunststoffe, auf die wir verzichten sollten. Es geht darum, Kunststoffe rasch zu einer wirklich nachhaltigen Materiallösung zu machen und umfassende Entsorgung- und Recyclingsysteme aufzubauen, die das Risiko von Kunststoffen, in die Umwelt zu gelangen und Mikropartikel zu verursachen, auf ein Minimum reduzieren. Wir haben angesichts der Rohstoffsituation gar keine andere Option. Und der Verbraucher wird lernen, dass nachhaltigere Kunststoffe teurer sein werden, aber schon heute sind knapp die Hälfte der deutschen Verbraucher dazu bereit, mehr Geld für nachhaltige Produkte auszugeben.
Svenja: Und das wird gelingen?
Michael: Ich bin da Optimist. Die Kunststoffindustrie kann aus der jetzigen Krise wie der Phönix aus der Asche neu und gestärkt hervorgehen - wenn sie jetzt ihre Hausaufgaben macht und die Probleme konsequent angeht und löst, und endlich begreift, dass es keine Kommunikationsprobleme sind!
Inzwischen gibt es erste, längst überfällige Schritte: Rund 30 führende Chemie-Unternehmen, die weltweit entlang der Wertschöpfungskette agieren, haben sich in der "Alliance to End Plastic Waste (AEPW)“ organisiert und wollen in den nächsten fünf Jahren rund 1,5 Milliarden Dollar investieren, um Projekte für Müllmanagement, zirkuläre Wirtschaft sowie neue Recycling-Technologien zu fördern.
Hersteller von Konsumentenprodukten beginnen endlich, ihre Verpackungen aus 100 % Recyclingware zu produzieren und sie vollständig recyclingfähig zu machen. Auch das gezielte Sammeln von Plastikmüll startet mit ersten Projekten. So sammeln auf Haiti die Bewohner Plastikmüll ein, dieses Jahr sollen es schon 300 t werden. Im Gegenzug gibt es von Henkel Sachleistungen wie Holzkohle zum Kochen, Voucher für den Schulbesuch der Kinder und die Möglichkeit, Handys aufzuladen, oder einfach Bargeld. Eine gute Idee, eingesammelten Plastikmüll als Rohstoff zu kaufen. Das sollte weltweit Schule machen.
Svenja: Danke für das aufschlussreiche Gespräch.