Mit der Herstellung von Demoteilen, die neuesten Innovationen für Pkw-Türmodule im organomelt Verfahren zeigen, setzt Engel Austria auf der K 2019 vom 16. bis 23. Oktober in Düsseldorf den nächsten großen Entwicklungsschritt im Bereich des thermoplastbasierten Composite-Leichtbaus in der Großserie. Die präsentierte Fertigungszelle ist die weltweit erste, die drei unterschiedlich dicke Organobleche mittels IR-Strahlung aufheizt und umformt und im selben Prozessschritt im Spritzguss eine hochwertige Sichtoberfläche ausformt. Eine weitere Premiere: Die Anlage integriert drei Engel easix Knickarmroboter, die zeitgleich manipulieren.
''Thermoplast-Composites gewinnen im automobilen Leichtbau weiter stark an Bedeutung'', berichtet Dr. Norbert Müller, Leiter des Technologiezentrums für Leichtbau-Composites von Engel. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe. Zum einen ermöglicht es der durchgehend thermoplastische Ansatz, die Umformung und Funktionalisierung von Faserverbundhalbzeugen effizient zu integrieren, was die Stückkosten senkt. Zum anderen vereinfacht der Einsatz von ausschließlich thermoplastischen Polymeren die Entwicklung von Recycling-Konzepten. ''Composite-Bauteile am Ende ihrer Nutzungsdauer in den Stoffkreislauf zurückzuführen, gehört zu den vorrangigen Aufgaben der weiteren Entwicklung der Elektromobilität'', verdeutlicht Müller. ''Inzwischen setzt sogar der Flugzeugbau immer öfter auf thermoplastische Lösungen.''
organomelt lautet die Antwort von Engel für eine nachhaltige Mobilität. Im organomelt Prozess werden faserverstärkte Halbzeuge mit thermoplastischer Matrix, wie Organobleche und Tapes, aufgeheizt, ins Werkzeug eingelegt, dort umgeformt und direkt mit Thermoplast umspritzt. Das ausgereifte Verfahren hat die Großserie bereits erreicht. Unter anderem werden Frontendträger mittels Engel organomelt vollautomatisiert hergestellt.
Die Fertigungszelle ist die weltweit erste, die drei unterschiedlich dicke Organobleche mittels IR-Strahlung aufheizt und umformt und im selben Prozessschritt im Spritzguss eine hochwertige Sichtoberfläche ausformt
In der weiteren Entwicklung dieses Verfahrens befasst sich Engel gemeinsam mit seinen Kunden und Partnern mit den Fertigungsaspekten der lastgerechten Auslegung von Composite-Bauteilen. ''Um die Leichtbaueigenschaften gezielt an die jeweilige Bauteilgeometrie und die unterschiedliche Belastung der einzelnen Bereiche innerhalb des Bauteils anzupassen, werden zukünftig pro Bauteil mehrere unterschiedliche Faserverbundhalbzeuge miteinander kombiniert'', erklärt Müller. ''Die Fertigungszelle auf der K macht das große Potenzial deutlich.'' Der dort präsentierte Verarbeitungsprozess wurde gemeinsam mit dem Automobilzulieferer Brose entwickelt. Es handelt sich um die derzeit einzige Anlage weltweit, die im vollständig automatisierten Prozess mit integrierten IR-Öfen drei Organobleche mit Dicken zwischen 0,6 und 2,5 mm, die noch dazu unterschiedliche Geometrien aufweisen, zeitgleich verarbeitet. Die lastgerechte Auswahl der Organobleche ermöglicht es, die unterschiedliche Belastung der einzelnen Bauteilbereiche gezielt zu berücksichtigen, was von Brose durch verschiedene Simulationsverfahren abgesichert wurde. So weist das auf der K produzierte Demoteil zum Beispiel im Fensterrahmenbereich eine höhere Steifigkeit auf als an der Türinnenseite.
IR-Öfen extrem kompakt integriert
Eine Herausforderung beim Verarbeiten von Organoblechen besteht generell im Aufheizen der Faserverbundhalbzeuge. Von deren Dicke hängen die notwendige Aufheizdauer und die Abkühlzeit ab. Wichtig sind ein schnelles und dennoch materialschonendes Aufheizen sowie kurze Wege der aufgeheizten Halbzeuge zum Formgebungswerkzeug. Die organomelt Fertigungszelle auf der K rund um eine duo 3660/800 Spritzgießmaschine integriert aus diesem Grund zwei IR-Öfen. Zum Aufheizen des nur 0,6 mm dünnen Organoblechs ist ein vertikaler IR-Ofen direkt oberhalb der Schließeinheit angeordnet. Auf diese Weise gelangt das dünne Organoblech innerhalb kürzester Zeit ins Werkzeug, bevor es abkühlen kann und damit nicht mehr umformbar wäre. Für die beiden dickeren Organobleche mit 1 und 2,5 mm kommt ein Standard-IR-Ofen in horizontaler Ausführung zum Einsatz, der sich auf einem Podest über der beweglichen Aufspannplatte befindet. Diese Anordnung verkürzt ebenfalls die Wege zwischen Ofen und Werkzeug und spart darüber hinaus Platz, weil der Ofen keine separate Stellfläche benötigt. Beide IR-Öfen stammen aus der eigenen Entwicklung und Fertigung von Engel. Sie sind ebenso wie die drei easix Roboter vollständig in die CC300 Steuerung der Spritzgießmaschine integriert und zentral über das Maschinendisplay bedienbar.
Alle drei Organobleche werden gleichzeitig aufgeheizt. Für das Handling der Organobleche stehen zwei der drei easix Roboter zur Verfügung. Sie sind beide nebeneinander oberhalb der Schließeinheit platziert. Während Roboter Nummer 1 das Handling der beiden dickeren Organobleche übernimmt, kümmert sich Roboter Nummer 2 um das dünnste der drei Organobleche. Während des gesamten Aufheizprozesses hält er das Organobleche vor das vertikale Strahlerfeld, um es nach Ablauf der definierten Aufheizzeit im Werkzeug zu platzieren. Roboter Nummer 3 befindet sich neben der Schließeinheit. Seine Aufgabe ist es, das Fertigteil zu entnehmen und dabei zugleich eines der drei Organobleche für den Spritzgießprozess im Werkzeug umzusetzen.
Die Organobleche, die vom chinesischen Rohstoffhersteller Kingfa bezogen werden, bestehen aus Glasfasern und Polypropylen als Matrixmaterial. Wenn sich das Werkzeug – gebaut von Georg Kaufmann Formenbau – schließt, werden die Organobleche umgeformt und unmittelbar danach im selben Werkzeug mit glasfaserverstärktem Polypropylen umspritzt. Dabei werden auf der Bauteilrückseite Versteifungsrippen sowie auf der Sichtseite eine Narbung in Lederoptik abgeformt. ''Wir erzielen beim direkten Umspritzen der Organobleche eine herausragende Ledernarbungsoptik, was bislang in Verbindung mit Organoblechen als unlösbar galt'', betont Norbert Müller. ''Damit legen wir die Basis, zukünftig große strukturelle thermoplastische Türstrukturen im organomelt Prozess zu produzieren.''
Komplexer Prozess einfach zu steuern
Die von Engel im Technologiezentrum für Leichtbau-Composites entwickelten Fertigungslösungen zeichnen sich durch eine sehr hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit aus, was die Voraussetzung für den Einsatz in der Großserie ist. ''Die hohe Automatisierungskompetenz von Engel hat daran einen erheblichen Anteil'', macht Walter Aumayr, Bereichsleiter Automatisierung und Composite Systems von Engel, deutlich. Mit drei gleichzeitig manipulierenden Knickarmrobotern vom Typ Engel easix repräsentiert die organomelt Zelle am Messestand von Engel den State-of-the-art der integrierten Composite-Verarbeitung. Mit diesem hohen Integrationsgrad ist die Fertigungszelle die komplexeste, die Engel je auf einer Messe präsentiert hat, und eine der komplexesten Anlagen überhaupt auf der K 2019.
Die lastgerechte Auswahl der Organobleche ermöglicht es, die unterschiedliche Belastung der einzelnen Bauteilbereiche gezielt zu berücksichtigen
''Je mehr Arbeitsschritte wir integrieren und je mehr Einzelsysteme eine Fertigungszelle umfasst, desto komplexer wird der Gesamtprozess'', weiß Aumayr. ''Als Systemanbieter stellt Engel deshalb eine einheitliche Bedienlogik und ein gemeinsames Datenmanagement über die gesamte Fertigungszelle sicher, was vor allem den Einsatz von Knickarmrobotern erheblich vereinfacht. Die vergleichsweise einfache Bedienung der easix Roboter kann von den Mitarbeitern in der Spritzgießfertigung bewerkstelligt werden.''
Eine Besonderheit bei Engel ist, dass auch die IR-Öfen vollständig in die CC300 Steuerung integriert sind, was eine einheitliche Bedienung über den gesamten Prozess sicherstellt. Da in der Engel Systemlösung die Verarbeitungsmaschine, Roboter und Peripherie auf eine gemeinsame Datenbasis zugreifen, sinkt zudem das Fehlerrisiko und die Effizienz steigt. Ohne zusätzliche Hardware sind die easix Knickarmroboter in der Lage, ihre Bewegungen mit den Bewegungen im Werkzeug – zum Beispiel von Kernzügen oder Auswerfern – zu synchronisieren. ''Vor allem bei Großanlagen können wir damit sowohl die Zykluszeiten als auch die Investitionskosten senken'', so Walter Aumayr.
Quelle: Engel