Die Talsohle im russischen Markt scheint endgültig durchschritten, zumindest was die Kunststoff-, Kautschuk- und Verpackungsbranche und die verwandten Prozessindustrien angeht. Einen eindrucksvollen Beleg hierfür lieferten die beiden Fachmessen interplastica, 22. International Trade Fair for Plastics and Rubber, und upakovka - Processing and Packaging, die nach vier Messetagen am 01. Februar 2019 erfolgreich zu Ende gingen. Rund 25.000 Besucher kamen in das AO Expocenter in Krasnaja Presnja, Moskau, um sich über die umfangreiche Angebotspalette der 950 Aussteller aus 32 Ländern zu informieren.
Nach einer Phase der Stagnation 2016 und einer Rezession mit -2,8 % 2015 wurde in Russland 2017 mit 1,5 %-BIP-Zuwachs erneut eine Wachstumsphase eingeleitet. Vier Jahre nach Einführung der Sanktionen und dem Ölpreissturz hat sich die russische Wirtschaft an die neuen Rahmenbedingungen angepasst und kann wieder wachsen.
Das Interesse an modernen Maschinen, Produktionsanlagen und Hightech-Materialien ist wieder sehr groß. Dies gilt gerade auch für die Nachfrage nach Verpackungstechnologien und Equipment für die Kunststoffverarbeitung. Zur Freude der ausstellenden Unternehmen blieb es deshalb auf der interplastica und upakovka nicht nur beim reinen Informationsaustausch. Viele Fachbesucher kamen auch mit konkreten Kaufabsichten und fällten direkt vor Ort ihre Kaufentscheidung. Dies untermauert den erheblichen Investitionsbedarf der nach wie vor in Russland und seinen Nachbarstaaten besteht.
Die Präsenz der zahlreichen ausländischen Aussteller zeigt ein anhaltend großes Interesse am russischen Markt. „Nach einigen schwierigeren Jahren geht es wieder bergauf. Wer langen Atem bewiesen hat, wird nun belohnt“, zieht Werner Matthias Dornscheidt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Düsseldorf, rückblickend ein positives Fazit und zeigt sich sehr zufrieden mit dem Verlauf der beiden Messen. „Die Stimmung in den Hallen war ausgezeichnet, die Aussteller berichteten von äußerst interessierten und auch orderbereiten Geschäftsleuten. Diese nutzen hier die einmalige Gelegenheit, die aktuellen Entwicklungen des Weltmarktes kennenzulernen und direkt vor Ort mit den Anbietern zu verhandeln.“
Nach Russland wurden in 2017 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) Kunststoff- und Gummimaschinen aus aller Welt mit einem Auftragsvolumen in Höhe von 457 Millionen Euro exportiert; das sind 40,4 Prozent mehr als noch in 2016 (325,5 Mio.).
Die Exportlieferungen von Kunststoff- und Gummimaschinen aus Deutschland beliefen sich von Januar bis September 2018 auf 90.8 Mio. EUR, das ist ein Plus von 3,3% gegenüber demselben Vorjahreszeitraum.
Hierzu Thorsten Kühmann, Geschäftsführer des Fachverbandes Kunststoff- und Gummimaschinen im VDMA: „Nach einem deutlichen Plus deutscher Lieferungen nach Russland in 2017, konnte das Niveau bis November 2018 gehalten und sogar leicht ausgebaut werden. Nach wie vor gibt es deutliche Impulse aus dem Verpackungssektor als direkte Auswirkung auf die russischen Lebensmittelsanktionen. Verpackungen müssen in Folge zunehmend in Russland produziert werden, um regionale Lebensmittel haltbar zu machen. Hinzu tritt ein weiterer positiver Effekt für Unternehmen mit Niederlassung vor Ort, deren Durchhaltevermögen zunehmend honoriert wird. Damit kann der russische Markt zwar noch nicht an die erfolgreichen Jahre um 2013 anschließen; bietet jedoch in volatilen Zeiten einen Ausgleich.“
Mit starken Gemeinschaftsbeteiligungen waren Österreich und China auf der interplastica 2019 vertreten, das Qualitätssiegel „Made in Germany“ wurde von einer großen offiziellen Bundesbeteiligung repräsentiert. Darüber hinaus nahm Italien erneut mit einer hohen Anzahl an Unternehmen teil. 65 italienische Aussteller boten an Individualständen und innerhalb des großen Gemeinschaftsstands in Halle 2.3 einen umfassenden Überblick. Fabrizio Vanzan, Exhibition Manager bei AMAPLAST, bilanziert: „Die interplastica 2019 verlief für uns sehr positiv und hat vor dem Hintergrund der bekannten schwierigen wirtschaftlichen Situation sogar unsere Erwartungen übertroffen. Unsere italienischen Aussteller konnten viele Bestandskunden, aber auch Neukunden aus Russland und seinen Nachbarländern an ihren Ständen begrüßen. Wir rechnen mit einem sehr guten Nachmessegeschäft.“
„Zwei Themen, die auch auf der interplastica 2019 auf besonderes Interesse stießen, waren Industrie 4.0 und Recycling“, so Natallia Esche, Team Assistant VDMA AG Hybride Leichtbau Technologien. Beim Thema Recycling verweist Esche auf den international noch sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand: „Das Problem der Abfallentsorgung ist in vielen Ländern, darunter auch in Russland, sehr akut. Während aber in den westeuropäischen Ländern dieses Problem durch die Einführung ganzer Verarbeitungskomplexe bereits aktiv gelöst wird, funktionieren in Russland derzeit erst wenige kleine Anlagen.“
Das Angebot der interplastica-Aussteller wurde ergänzt durch ein hochkarätig besetztes fachliches Rahmenprogramm. Auf der Polymer Plaza in Halle 1 sorgten Fachvorträge und Diskussionsrunden zu aktuellen Themen wie etwa „Kunststoff und Kreislaufwirtschaft – Recycling Trends und steigendes Umweltbewusstsein“, „Innovative Trends der modernen Polymer Industrie“ oder „Biopolymere und Recycling“ für volle Reihen.
Die Sonderschau 3D fab+print war auch bei ihrer dritten Ausgabe wieder ein Besuchermagnet. Im Mittelpunkt standen die stark wachsenden Bereiche Additive Fertigung und 3D-Druck. Russische und internationale Experten diskutierten Entwicklungen, Chancen und Herausforderungen der jungen Technologie, während Aussteller ihre innovativen Produkte und Lösungen zum Thema präsentierten.
Die nächste interplastica in Moskau wird vom 28. bis 31. Januar 2020 stattfinden, erneut parallel zur upakovka.